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150 Jahre Remicher Brücke

 

2017 jährte sich zum 150. Mal der Tag der Einweihung der ersten Moselbrücke in Remich, und damit der ersten Moselbrücke an der luxemburgisch-deutschen Grenze überhaupt.

Bis es zum Brückenbau kam, behalf man sich mit Nachen und Fähren, und wenn es der Wasserstand erlaubte, durchquerte man die Mosel durch Furten.

 

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Eine Fähre gab es schon zur österreichischen Zeit. In den 1850er Jahren behauptete der Gemeinderat, dass zu jener Zeit das Fährregal bei der Gemeinde Remich gelegen hätte, allerdings ohne dies mit Dokumenten belegen zu können. Die Fähre aus jener Zeit wurde beim Einmarsch der französischen Revolutionstruppen am 6. August 1793 zerstört, und Remich wurde in Schutt und Asche gelegt.

Ein Gesetz regelte die Wasserübergänge in der gesamten Französischen Republik, zu der mittlerweile auch Luxemburg als Wälderdepartement gehörte. Das Fährregal gehörte nun definitiv dem Staat, der es weiterverpachtete.

Nach dem Wiener Kongress blieb dieses Gesetz in Kraft. Die Auslegung des Gesetzes bekam die Gemeinde Remich in den 1850er Jahren zu spüren, als sie versuchte, den Fährbetrieb in die Hoheit der Gemeinde zu überführen.

Die Rheinschifffahrt durfte nicht behindert werden. Zur Rheinschifffahrt gehörten ebenfalls alle schiffbaren Nebenflüsse, somit auch Mosel und Sauer.

Als in den 1840er Jahren die alte Fähre baufällig geworden war und durch eine Gierfähre ersetzt werden sollte, bekam der Staat die Bedenken der preußischen Regierung wegen eventueller Behinderung der Schifffahrt zu spüren, und es folgte ein jahrelanger, reger Schriftverkehr zwischen Remich, Trier, Berlin, Den Haag und Luxemburg, bis die Angelegenheit eine Lösung gefunden hatte.

Erste Pläne zum Bau einer steinernen Brücke stammten nicht von der Gemeinde, sondern wurden Ende der 1820er Jahre von Regierungsseite in Erwägung gebracht. Die Gemeinde hatte nichts dagegen, sah sich aber finanziell nicht in der Lage, diese Brücke zu bauen und zu unterhalten. Statt dessen schlug sie vor, dass der Staat die Kosten übernehmen sollte, oder aber eine Gesellschaft, die sich durch die Erhebung von Brückengeld finanzieren sollte.

1832 schlug das Gemeinderatsmitglied Thorn den Bau einer Brücke vor. Er brachte Argumente vor, die für eine solche Brücke sprachen: Vorteile für Handel und Industrie sowie der Anschluss an das europäische Straßennetz, das heißt die Straße bei Borg, die von Basel über Straßburg, Trier und Aachen in die Niederlande führte.

Zeitlich war die Einbringung dieses Plans gut gewählt, stammte doch der erste Gouverneur der belgischen Provinz Luxemburg aus der Thorn-Familie in Remich. Scheitern tat der Plan dann offensichtlich aus Mangel an Finanzmitteln.

Weitere Pläne wurden im Verlauf der Zeit vorgebracht und gelegentlich eines Besuchs von König-Großherzog Wilhelm III. durch den Ausspruch des Herrschers: „Il vous faut un pont!“ beflügelt.

Die Begründungen waren immer gleich: Interessen des Handels und der Industrie sowie der Landwirtschaft, Anbindung an das Straßennetz, und sogar die Vorteile für die preußische Garnison in der Festung Luxemburg. Des Weiteren wurde die Benachteiligung des Kantons Remich beim Ausbau des Eisenbahnnetzes ins Spiel gebracht.

Endlich waren die Pläne ausgereift und die Finanzierung durch ein staatliches Subsid und eine Anleihe der Stadt Remich möglich gemacht.

Das Haus Meyer musste weichen, um die Brückenauffahrt zu ermöglichen. Ländereien auf preußischem Territorium, soweit sie nicht im Remicher Gemeindebesitz waren, mussten aufgekauft werden.

Preußen beteiligte sich nicht an den Kosten für den Bau. Die Regierung in Berlin forderte jedoch den Einbau einer Pulverkammer, um im Kriegsfall eine Sprengung zu ermöglichen. Schließlich sollte die Brücke nach 99 Jahren zur Hälfte in preußischen Besitz übergehen.

Ein anderer Punkt, der vorerst unklar blieb, war das internationale Statut der Brücke. Preußen sah die Brücke nicht als Kondominium an und übte seine staatliche Kompetenz bis zur Mitte der Brücke aus. Später wurde die Brücke wieder ein Kondominium, und jedes Land übte seine Hoheitsrechte bis an die normale Uferlinie aus.

Bei der Ausschreibung der Arbeiten fiel die Entscheidung zugunsten des Bauunternehmers Pierre-Joseph Vanderaiken aus Diekirch. Der Bau konnte beginnen. Die Steine für die Brücke stammten aus den Remicher und den Schengener Steinbrüchen.

Trotz des Ausbruchs der Cholera im Jahre 1866, der auch der Unternehmer Vanderaiken in Diekirch zum Opfer fiel, wurde die Brücke termingerecht Ende 1866 fertig.

Die Einweihung durch den Prinz-Statthalter Seiner Majestät, Prinz Heinrich, wurde wegen der Nachwirkungen der Choleraepidemie in den Sommer 1867 verschoben und fand am 6. Juli 1867 statt.

 

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Im Verlauf der Vorgeschichte und der Geschichte der Brücke gab es viele Streitigkeiten, die manchmal vor Gericht ausgefochten werden mussten.

So erhob die Gemeinde schwere Vorwürfe gegen den Pächter der Fähre, weil dieser das staatliche Fährreglement zu seinen Gunsten auslegte, überhöhte Tarife anwandte und die Furt blockierte, um die Bauern und Winzer zu zwingen, seine Fähre zu nutzen.

Der Pächter der Fähre hingegen klagte gegen den Bauunternehmer der Brücke, weil dieser seine Arbeiter mit eigenen Nachen von Ufer zu Ufer beförderte.

Beim Abriss des Hauses Meyer, das der Auffahrt zur Brücke weichen musste, wurde das Nachbarhaus beschädigt. Eine Einigung mit dem Eigner dieses Nachbarhauses wurde Jahre später vor Gericht erzielt.

Nach der Fertigstellung der Brücke erhielt der Pächter der Fähre eine Entschädigung und stellte seinen Betrieb ein.

Gegen verschiedene Eigentümer von Nachen musste polizeilich vorgegangen werden, weil sie in ihren Fahrzeugen Personen und Waren von Ufer zu Ufer beförderten.

Mit dem Pächter der Brückenmaut musste öfters gestritten werden, weil dieser Ausfälle durch Viehseuchen oder andere Ursachen hatte. Allerdings sah das Lastenheft keine Nachlässe wegen unvorhergesehener Ereignisse vor und schloss auch staatliche Maßnahmen, wie zum Beispiel Sperrungen der Brücke wegen Seuchen oder Krieg, aus.

1867 war das Jahr des Londoner Vertrags. Luxemburg wurde zum neutralen Staat erklärt, und die preußische Besatzung zog aus der Festung ab.

Vom deutsch-französischen Krieg von 1870-71 war Luxemburg nicht direkt betroffen.

Am 1. August 1914 wurden alle Moselbrücken gesperrt. Nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs zogen deutsche Truppen über die Remicher Brücke und marschierten weiter über Bettemburg in Richtung Frankreich.

 

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Am 19. November 1918 zogen amerikanische Truppen in Remich ein. Sie kamen aus dem Raum Saint Mihiel-Verdun und folgten den Deutschen auf deren Rückzug. Ihr Ziel war Koblenz.

Nach dem Ersten Weltkrieg kündigte Luxemburg seine Mitgliedschaft im Deutschen Zollverein. Die deutsch-luxemburgische Grenze wurde nach 76 Jahren wieder Zollgrenze.

Alle Moselbrücken waren während der Mitgliedschaft im Deutschen Zollverein erbaut worden und verfügten demnach nicht über Gebäude für die Zollverwaltung. Nach und nach zogen Zollbeamte an die deutsche Grenze und walteten dort ihres Amtes in behelfsmäßigen Unterkünften.

In Remich wurde den Zollbeamten ein Raum im Brückenmautgebäude zugewiesen. Auf deutscher Seite erwarb das Reichsvermögensamt eine Parzelle von der Remicher Gemeinde und errichtete dort das deutsche Zollamt.

Ende der 1960er Jahre wurde auf deutscher Seite ein Gemeinschaftszollamt errichtet. Dieses war bis 1993 in Betrieb.

Französische Truppen besetzten nach dem Ersten Weltkrieg das entmilitarisierte linksrheinische Gebiet.

Schließlich ließ Hitler am 7. März 1936 die deutschen Truppen in die entmilitarisierte Zone links des Rheins einmarschieren, und es wurde mit dem Bau des Westwalls begonnen.

Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939.

Deutscherseits war am rechten Moselufer ein Panzergraben angelegt worden. Auf der luxemburgischen Seite wurde die Remicher Brücke durch eine Panzersperre blockiert, die beim deutschen Einmarsch am 10. Mai 1940 zuerst überwunden und später dann beseitigt wurde.

Am 20. September 1944 sprengten die Deutschen zwei Bögen im Mittelteil der Brücke. Weitere Sprengungen folgten am 24. und am 25. September 1944.

Ab Februar 1945 wurde die von den Amerikanern errichtete Notbrücke in Betrieb genommen.

 

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Über diese Notbrücke marschierten Luxemburger Soldaten am 13. November 1945 in die ihnen von den Franzosen zugewiesene Besatzungszone in Deutschland ein. Am 26. August 1946, dem 600. Jahrestag der Schlacht von Crécy, wurden die Gebeine Johanns des Blinden über die Notbrücke heimgebracht.

 

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1947 folgten die sterblichen Überreste der 1924 in Lengries verstorbenen Großherzogin Marie-Adelheid. Inzwischen hatte der preußische Staat aufgehört zu existieren. Neue Nachbarn an der luxemburgischen Ostgrenze wurden das Bundesland Rheinland-Pfalz und die französische Saar, ab 1957 das bundesrepublikanische Saarland.

1951 musste die Remicher Brücke umfangreich repariert werden. Am 25. März 1958 wurde der Neubau ausgeschrieben, und am 23. Juli begannen die Abbrucharbeiten. Während der Bauarbeiten war eine Fähre in Betrieb. Dem Neubau waren umfangreiche Diskussionen vorausgegangen, zum Beispiel über das Eigentumsrecht an der Brücke und über deren Standort. Schließlich wurde der Standort von 1866 beibehalten und der Zugang zur Brücke durch die neu gebaute Europastraße erleichtert.

 

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Die neue Brücke war an den Schiffsverkehr auf der kanalisierten Mosel angepasst. Sie wurde am 30. Juni 1959 für den Verkehr freigegeben und am 23. Juli 1959 offiziell eingeweiht.

 

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Von Ostern bis Juni 1983 wurde die Brücke erneuert, desgleichen im Jahr 2009.

Heute noch wird die Brücke viel befahren. Besonders abends führt der Berufsverkehr zu langen Staus in der Ortschaft. Auch der Bau der Saarautobahn mit der Autobahnbrücke bei Schengen hat zu keiner spürbaren Entlastung des Verkehrs durch Remich geführt.

Jean Ensch

Eine erste Fassung dieses Artikels von Jean Ensch war im Gemeindeboten der Stadt Remich veröffentlicht worden, De Buet, Juli & August 2017, S. 24-26; dabei war fälschlicherweise als Autor des Textes Roby Gengler angegeben worden.

 

 

Bilder zur Verfügung gestellt von:

Albert Hoffmann (6)

Marcel Kleman (1)

Clément Mathis (7)

Robert Schwachtgen (2)

Paul Vanolst (3)

 

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